Jutta Weber-Bock: „Autobiographisches Schreiben - Ein Handbuch für Schreibende und Kursleitende“
Zwei Hauptbotschaften stecken für mich in diesem Handbuch „Autobiographisches Schreiben - Ein Handbuch für Schreibende und Kursleitende“ von Jutta Weber-Bock: Erstens die Allgegenwärtigkeit autobiographischen Schreibens auch im Fiktionalen: „Auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller schöpfen aus dem eigenen Erleben, nichts ist vollständig ausgedacht. Viele betonen sogar ausdrücklich, dass Schreiben notwendigerweise autobiographisch ist.“ Zweitens ist Schreiben ein Handwerk, das man lernen muss durch „Üben, Üben, Üben“.
In den ersten Lehrmodulen des Handbuchs übt man, der Kreativität und Rückerinnerung Raum zu geben und sie fließen zu lassen. Erst danach wird die überströmende Ideenflut gebändigt, strukturiert und zu einer schlüssigen Geschichte gegossen und geformt.
Die vielen, vielen Übungen (über 80!) und zahlreichen Hinweise auf Beispieltexte und Literatur werden durch Arbeitsblätter und Info-Kästen zu handwerklichen Grundlagen ergänzt. Außerdem regt dieses Buch zum Nachdenken an über den fließenden Übergang zwischen Autobiographie, Memoiren, Tagebuch und Erinnerungen, an das Leben angelehnte Fiktion („So hätte es gewesen sein können oder sollen.“) bis hin zum Roman, über dessen autobiographischen Bezug sich rätseln lässt.
Dieses Buch bedenkt vielfältige Zielgruppen: diejenigen, die eine Autobiographie schreiben oder die für ihren Roman aus dem Leben schöpfen möchten, autodidaktisch Schreibende und Kursleiter/innen.
Kursleitende finden in diesem Buch eine beispielhafte Planung für die Arbeit mit Schreibgruppen über einen Zeitraum von fünf Jahren und zahlreiche methodischdidaktische Hinweise. Das enthaltene Material ist in der Praxis erprobt und vielfältig, so dass man für jeden Zweck das passende finden kann. Ein Kursleiter braucht also nur noch auszuwählen. Praktischerweise findet man die Arbeitsblätter als Kopiervorlagen im Anhang.
Das Material baut der Reihe nach aufeinander auf und leitet auch den Autodidakten von grundlegenden Übungen schrittweise bis zur eigenen Autobiographie. Darüber hinaus gibt es Anregungen für den Umgang mit autobiographischen Stoffen beim Schreiben fiktionaler Texte. Ideal für fortgeschrittene Schreibende, die zu Hause ganz für sich oder in einer Kleingruppe üben möchten.
Das Angebot an Übungen wirkt wie ein üppig bestücktes Büffett, aus dem man sich „nur“ das Passende herauszusuchen braucht. Obwohl ich (noch?) nicht plane, mein Leben vollständig niederzuschreiben, hatte ich meinen Spaß am Spielen und es entstanden aus den Übungen neue Ideen für Kurzgeschichten. Hierzu brauchte ich die Übungen und Hinweise nur geringfügig umzuinterpretieren. Ich könnte mir auch vorstellen, mit Hilfe dieses Handbuchs einen Fantasy-Roman mit autobiographischem Hintergrund zu schreiben oder für eine fiktive Person eine fiktive Autobiographie. Man muss sich nur entscheiden.
Gerade wegen dieser Materialfülle ist dieses Handbuch eher für Fortgeschrittene als für Anfänger geeignet. Um die passenden Übungen für sich selbst auszuwählen verlangt, dass der Autodidakt weiß, was er lernen möchte.
Insgesamt kam ich mir sehr einsam vor beim Durchspielen der Schreibübungen. Niemand war da, dem ich meine Ideen vorstellen und meine Texte vorlesen, mit dem ich diskutieren, lachen und herumfeilen konnte. Eine Gruppe kann das Selbststudium auf keinen Fall ersetzen! Daher würde ich mich nie damit begnügen, das Schreiben nur aus einem Buch zu lernen, sondern dieses Handbuch in den Sommer- und Semesterpausen zwischen den Kursen durcharbeiten oder zur Ergänzung. Oder es in einer Gruppe verwenden, die ohne Lehrer schreibt und trotzdem Anleitung sucht.
Jutta Weber-Bock ist durch ihre außergewöhnlich umfangreiche Erfahrung mit Schreibgruppen und mit der Ausbildung von Schreibgruppenleitern genau die Richtige, um ein solches Buch zu schreiben. Sie ist Schriftstellerin, Dozentin und Lektorin, hat Lehramt Philosophie und Deutsch für Gymnasium an der Universität Osnabrück studiert. Seit 1990 erhält sie Lehraufträge für literarisches Schreiben an der Universität Stuttgart und leitet regelmäßig Schreibwerkstätten für verschiedene Veranstalter in der Erwachsenenbildung.
Für den Volkshochschulverband BadenWürttemberg ist sie seit 1997 in der Fortbildung von Schreibwerkstättenleiter/- innen tätig. Projektmanagerin des „Basisnetzwerks: Schreib- und Autorenförderung in Baden-Württemberg.“ Stellvertretende Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) in Baden-Württemberg.
Vier literarische Buchveröffentlichungen, u.a. im Herbst 2005 den Roman „Liebesprobe“ (demand Verlag) und den autobiographischen Band „Wir vom Jahrgang 1957 - Kindheit und Jugend“ (Wartberg Verlag). Im Juni 2006 Aufenthaltsstipendium des „Internationalen Schriftstellerzentrums Three Waves“ auf Rhodos/ Griechenland. www.weber-bock.de
Taschenbuch, 170 Seiten, demand Verlag, Waldburg 2006, ISBN 3-935093-45-4