Jutta Weber-Bock: „Electronic Harem“
20 Erzählungen von Jutta Weber-Bock enthält dieses Taschenbuch und entführt uns in südliche Länder oder in deutsche Keller und Schlafzimmer. Immer geht es um die Liebe, und die ist nur in der Titelgeschichte elektronisch. Ansonsten geht es analog und kompliziert zu. Susanne, Christine, Beate und Marion, sie alle haben ihre Freude und ihr Leid mit der Liebe. Mal geht es um eine Dreiecksgeschichte, mal wird die Ehefrau geprügelt oder mit einer Geliebten hintergangen, mal die Geliebte mit der Ehefrau. Manche harren aus und manche fliehen in die Türkei. Durchgängige Motive der Geschichten sind das Reisen und das Joggen, Essen und Trinken. So lernen wir, dass Oliven mit Honig und Fladenbrot ganz ausgezeichnet nach Freiheit und Selbstfindung schmecken. Zuletzt gibt es sogar noch einen Krimi, bei dem die neue Bewohnerin eines Hauses gerade an dem Tag einzieht, wo die Leiche ihres Nachbars aus der Wohnung getragen wird. Wie kam er zu Tode?
Dieser Prosaband zeichnet sich durch eine lyrische, dichte Sprache aus. Farbige Landschaftsbeschreibungen entführen uns in südliche Gefilde und unter Zwetschgenbäume
Die folgende Stelle fängt die verzauberte Stimmung einer türkischen Nacht ein: „Ungestüm warf sich Katja dem Mond an den Hals, ließ sich von ihm auf den Steg ziehen. Fast war das fahle Licht warm, aber es war wohl die laue türkische Luft, die sie streichelte.
Die Wellen krochen den Sand höher hinauf als die Tage zuvor. Vollmondzeit, Lebenswechsel.“
Hier dagegen ist es winterlich kalt: „Novemberkälte fraß sich durch ihren Körper. Sie zog sich zwei Pullover und eine Weste an, wie Eisblumen waren ihre Hände. Zusammengesunken stand sie vor den heißen Ofenkacheln. Inneres Zittern über den Wechsel, nicht nur der Jahreszeiten. Eingesperrt in dunklen Zimmern wartete sie auf die Zeit, zerbrach sich den Kopf der Zukunft, faltete sich weiter und weiter zusammen, machte Körper und Seele winterfest. Das Ich versteckte sie hinter Wörterschränken, in Handschuhen und Wollsocken. Sie stülpte eine Mütze über die Ohren und trieb sich nach draußen. Das Brausen der Welt war gedämpft, und zog ihr langsam die Haut ab.“
Sie sehen: Es ist ein Buch für Genießer/innen, das man bei Kerzenschein, warmem Tee und Leckereien genießt.
Jutta Weber-Bock: „Electronic Harem“
Schweikert Bonn Verlag, 2015
Taschenbuch, 160 Seiten
ISBN 978-3-940259-31-8